Konstante Umgebungsbedingungen verringern das Risiko klimatisch bedingter Schäden. Immer wieder wurden und werden die in der Konservierungswelt etablierten Sollwertvorgaben für relative Feuchte und Temperatur diskutiert. Dieser Beitrag fasst die wichtigsten Informationen zusammen.
![Joachim d'Alencé: Traittez des Barométres, Thermométres et Notiométres ou
Hygrométres, Amsterdam 1707](/uploads/media/1024x/03/193-DI_Projektarchiv_bizot_1_2014.jpg?v=1-1)
Hygrométres, Amsterdam 1707
Präventive Konservierung
Stable is safe
Projektlaufzeit: seit 2013
Stable is safe
Ein Positionspapier
Als d'Alencé im Jahr 1707 das Prinzip der Messung des Wassergehaltes in der Luft mittels eines Putto, einer Waage und eines Strohballens illustrierte, wird er kaum daran gedacht haben, dass sein Putto mitten im Streit um die "richtigen Klimawerte" in Museen und im Leihverkehr einst symbolische Wirkung entfalten könnte. In diesem Streit, der heute Museumsverantwortliche weltweit entzweit, stellt sich die Frage, wohin sich die Waage neigen wird. Hierzu will das Doerner Institut Position beziehen!
Hygroskopische Materialien, darunter solche wie Holz, Papier oder Pergament, aus denen seit Jahrtausenden Kunst- und Kulturgut geschaffen wird, reagieren auf Änderungen des Wassergehaltes der Luft durch Quellen und Schwinden. Dies ist nicht nur mit einer Volumenänderung hygroskopischer Materialien verbunden, sondern führt in ungünstigen Fällen auch zu irreversiblen Verformungen, zum Reissen von Leinwänden, zu Rißbildungen auf Skulpturen, zum Aufgehen von Leimfugen oder zur Verwellung von Zeichnungen oder Druckgraphik. Hält man die sogenannte "relative Feuchte" wie auch die umgebende Raumtemperatur konstant, bleiben all diese empfindlichen Materialien unverändert. Wir können es auf eine einfache Formel bringen: Je konstanter das Klima, desto stabiler der Zustand.
Für Fachkreise ist es nichts Neues, daß bislang selbstverständliche Klimavorgaben zunehmend in Frage gestellt werden. Schon auf der IIC Tagung 1994 in Ottawa zeichnete sich ab, daß klimatische Vorgaben wie die des internationalen Museumsrats (ICOM) unter Druck geraten. Jüngste Untersuchungen aus Kanada, den USA und aus Polen kamen an Dummies, Probeaufstrichen und einigen originalen Kunstwerken zum Ergebnis, daß in einem mittleren Feuchtebereich größere Schwankungen als bislang tolerierbar wären, ohne daß sich das Risiko erhöhen würde.
Ein Vorstoß führender Museumsdirektoren, in der sogenannten Bizot Gruppe vereint, folgt dieser Einschätzung und schlägt jetzt einen relativ weiten Klimakorridor in Form sogenannter "Interim Guidelines" vor. Die Bizot-Initiative beruft sich dabei vor allem auch auf ökologische Gesichtspunkte. Doch ist das ehrlich? Und ist dies der richtige Weg? Das Doerner Institut meint Nein und zeigt in seiner "Münchner Position zu Klima und Kulturgut" zugleich Alternativen auf. Die Alternative heißt "Stable is safe"!
Um dies zu verdeutlichen, haben wir unseren Standpunkt in einer Stellungnahme zusammengefaßt, die Sie als deutschen Originaltext oder in englischer Übersetzung downloaden können. Falls Sie diesen Text an Kollegen weiterreichen wollen, unterstützen Sie die Autoren, die der Überzeugung sind, daß die "Interim Guidelines" ein Risiko darstellen.
Wir freuen uns, daß unsere Initiative bereits prominente Unterstützer gefunden hat: Nicht nur der Verband der Restauratoren e. V. (VDR), sondern auch eine Gruppe leitender Restauratoren aus Deutschland, der Schweiz und Österreich haben im Aprilheft 2013 von Restauro ihre Zustimmung zu den "Münchner Positionen" und zugleich ihre Bereitschaft zum ökologischen Umbau unserer Museen formuliert. In demselben Heft finden Sie auch die "Münchner Positionen" in leicht modifizierter Form.
Wie ist die Situation im November 2013? Die Bizot Gruppe hat die Bizot Interim Guidelines in ihrer Frankfurter Sitzung im Herbst 2012 verabschiedet. Auch wenn man die normative Kraft der Bizot Gruppe in Frage stellen kann und muß, sind erste Museen bei Leihanfragen mit den Bizot Interim Guidelines konfrontiert. Der Druck nimmt offenkundig zu! Hiermit erfüllen sich die in den „Münchner Positionen“ formulierten Befürchtungen.
Innerhalb der Bizot Gruppe waren und sind die Guidelines allerdings nicht unumstritten: Auf die Forderung einiger ihrer Mitglieder, die Guidelines noch einmal in ihren Konsequenzen für den Leihverkehr zu überdenken, hat die Gruppe auf ihrer Jerusalemer Sitzung im Herbst 2013 beschlossen, die Thematik auf die Ebene zuständiger Restauratoren und Konservierungswissenschaftler zurückzuweisen. Der Frankfurter Beschluß bleibt gleichwohl bestehen.
Die Problematik der Bizot Interim Guidelines liegt deshalb derzeit auch in den Händen der verantwortlichen Restauratoren und Konservierungswissenschaftler.
Alleine Fakten klären die unübersichtliche Argumentationslage. Um Argumentationshilfe zu geben, stellen wir eine zwischen Andreas Burmester, dem Direktor des Doerner Institutes, und Jonathan Ashley-Smith (Cambridge, UK) per Email geführte Debatte um die Schwankungsbreite von +- 10 % der Bizot Interim Guidelines – die Plus-Minus-Debatte – als Download zur Verfügung.
Eine weitere Email-Korrespondenz zwischen Andreas Burmester und Roman Kozłowski (Institute of Catalysis and Surface Chemistry, Polish Academy of Sciences in Krakau, Polen) beleuchtet die, den Aussagen der Bizot-Gruppe zugrundeliegenden Experimente. Erlauben diese Experimente aber die weitreichenden Schlußfolgerungen im Umgang mit unserem kulturellen Erbe? Mehr in der Stability_versus_Stress Diskussion!
Einen weiteren Blickwinkel eröffnet die Email Diskussion zwischen dem Ingenieur Andreas Böllinger, Spezialist für Klimaanlagen und Energiemanagement (Stuttgart), und Andreas Burmester. Es ist, als ob sich der Ingenieur und der Konservierungswissenschaftler in verschiedenen Welten bewegen. Lernen Sie in der The Real Savings Diskussion, daß Sollwertspezifikationen wie die umstrittenen Bizot Interim Guidelines sehr unterschiedlich gelesen werden können. Was meinen Klimaingenieure mit 50 +- 5% und wie soll ein einmaliges Gleiten von +- 10% am Tag kontrolliert werden? Lassen sich die Bizot Interim Guidelines überhaupt rechnerisch simulieren, was vernünftigerweise Voraussetzung für jede technische Umsetzung wäre? Erlauben raumlufttechnische Anlagen das Fahren in einem Korridor? Und wenn ja, wie müßte man die Regelung ändern? Und wie hoch wären die Einsparungen? Und was könnte man tun, um an Stable is Safe festzuhalten und trotzdem spürbar Energie einzusparen?